HGV | „Zukunft braucht Zivilcourage-Wir zeigen Gesicht“
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„Zukunft braucht Zivilcourage-Wir zeigen Gesicht“

Gemeinsame Veranstaltung vom Handels- und Gewerbeverein, Stuttgart, dem Tennisclub Weissenhof e.V. und dem Kiwanis Club Stuttgart-Württemberg, am Mittwoch, den 17.4.2013
 
„Zukunft braucht Zivilcourage-Wir zeigen Gesicht“
 
Beginn: 19.00 Uhr im Clubheim des TCW
 
Herr Veitinger, Veranstaltungsvorstand des TCW, begrüßt die Zuhörer und wünscht einen interessanten Abend.
Frau Löhnert-Lempenau, Präsidentin des Kiwanis Club Stuttgart-Württemberg und Schatzmeister des TCW, führt die Begrüßung fort und stellt den Kiwanis Club kurz vor. Kiwanis ist ein internationaler Serviceclub, dessen Ziel vor allem die Unterstützung benachteiligter Kinder ist. „Serving the children of the world.” Der Kiwanis Club Stuttgart-Württemberg hat den Fokus im wesentlichen auf regionale Projekte gelegt, derzeit die Carl-Benz-Schule und die Raitelsbergschule (Finanzielle Unterstützung bei dem Projekt Klasse2000) sowie der interkultureller Kinderhort „Die Lichtstube“ und Mithilfe bei der Vesperkirche in Stuttgart.
Frau Schäfer, 1. Vorsitzende des Handels- und Gewerbeverein Stuttgart und Mitglied des TCW, führt anschließend kurz in das Thema Zivilcourage ein. Wie helfe ich, ohne mich selbst zu gefährden? Was soll ich tun und was soll ich besser lassen? Bin ich gesetzlich verpflichtet zu helfen? Diese Fragen und weitere Aspekte des Themas Zivilcourage werden anschließend von dem Referenten Herrn Michael Kayser in seinem Vortrag dargestellt. Herr Kayser leitet die Stabsstelle Kommunale Kriminalprävention im Rathaus Stuttgart.
 
Herr Kayser:
 
Generelle Feststellung, Stuttgart ist seit Jahren relativ sicher, und zwar sowohl objektiv als auch subjektiv betrachtet. Was sich geändert hat, ist das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung: 1995 fühlten sich noch 70 % der Stuttgarter nicht sicher, 2012 sind dies nur noch 23 % bei nahezu gleichbleibender Anzahl der Straftaten insgesamt. Im Jahr werden in Stuttgart ca. 60.000 Straftaten verübt, dies beinhaltet alle Straftaten: Handtaschendelikte, Einbruch, Schwarzfahren, Tötungsdelikte, Raub, Nötigung, Geschwindigkeitsüberschreitungen etc. Auf Handtaschendelikte entfallen pro Jahr nur 30 – 50 Anzeigen.
 
Das erhöhte Sicherheitsempfinden liegt, nach Herrn Kaysers Ansicht daran, dass es keine offenen Drogenräume in der Stadtmitte mehr gibt. In den 80ziger und 90ziger Jahren waren diese vor allem auf der Königstraße und unter der Paulinenbrücke angesiedelt und so wesentlich präsenter als heute.
 
In Bezug auf Zivilcourage gibt Herr Kayser zu Beginn zwei Beispiele: im Oktober fand ein Einbruch auf einem Firmengelände statt. Bei der Befragung der Nachbarn, ob etwas Auffälliges bemerkt worden war, stellte sich heraus, dass zwei Nachbarn die maskierten Männer beim Überklettern der Mauer genau beobachtet hatten. Kommentar der beiden Zeugen: „Wenn man etwas tut, hat man doch danach nur Ärger…..“
 
Zweites Beispiel: 16jährige Schülerin beobachtet am Bahnhof Übergriffe zweier Jugendlicher auf einen jüngeren Dritten. Sie organisiert eine Gruppe von Leuten, gegen die zwei Jugendlichen vorzugehen und mit ihr und dem Opfer in der S-Bahn mitzufahren. Dort wird die Polizei verständigt und am nächsten Haltepunkt die Täter in Empfang genommen.
 
Insgesamt ist leider zu beobachten, dass die Tendenz von Unbeteiligten bei Angriffen auf Personen eher „wegsehen bzw. nicht eingreifen“ ist.
 
Tätlichkeiten und Mobbing unter Jugendlichen sind nicht neu, auch früher schon gab es dies. Aber durch das Internet ist eine weitere Möglichkeit geschaffen, dies indirekt ohne das Gegenüber fortzuführen. Für das Opfer gibt es keine Pause…Ziele muss sein, größere Empathie bei Jugendlichen zu fördern. Filme und Nachrichten sollten nicht nur mit den Kindern oder Jugendlichen angesehen werden, sondern auch besprochen werden.
 
Zivilcourage braucht Mut, das muss sich jeder klar machen. Herr Kayser empfiehlt dringend, sich vorher Gedanken zu machen, wie man sich in einer Grenzsituation, in der Zivilcourage gefordert ist, verhalten will. Diese Situation ist für den Einzelnen Stress, deshalb kann man nicht erwarten, dass man einfach funktioniert. Unter Umständen vergisst man sogar die Notrufnummer 110.
 
Bei Vorfällen, die keine Tätlichkeiten darstellen, sondern einfach ungehöriges Verhalten empfiehlt er:
–          Prüfen, ob man der/die Einzige ist, der Anstoß an diesem Verhalten nimmt.
–          Wenn ja, vielleicht liegt es nur an der persönlichen Tagesform und es ist besser nichts zu tun.
–          Nicht so lange warten, bis man vor Zorn platzt. Der Ton macht die Musik! Unter Umständen provoziert man eine Eskalation der Situation
–          Man muss nicht immer gleich eingreifen, man kann auch Zeuge sein! Ein guter Zeuge ist sehr wichtig.
 
Bei Tätlichkeiten sollte abgewogen werden, ob man wirklich körperlich in der Lage ist, einzugreifen. Ein guter Zeuge ist sehr wichtig! Wer hat zugeschlagen, wer hat provoziert, wer war beteiligt, wer hat angefeuert, wer tritt, woher kamen die/der Täter, wohin geht der Täter, wie sehen die Täter aus, haben sie Tattoos und wo, wie sprechen sie?
 
Oberster Grundsatz: Helfen, ohne sich selbst zu gefährden!
 
Wenn man sich entschließt einzugreifen, dann nicht alleine! Solidargemeinschaft bilden! Keinen allgemeinen Hilfaufruf starten, sondern Leute gezielt ansprechen und Aufgaben verteilen: „Sie, in der roten Jacke rufen bitte die Polizei an!“
 
Niemals den Täter duzen! Sonst könnten Außenstehende meinen, es handelt sich um eine Privatsache und der Täter könnte sich von vornherein provoziert fühlen.
Überhaupt jede Provokation vermeiden!
Nicht mit dem Täter diskutieren. Höflich ansprechen, Anliegen vorbringen und WEGGEHEN!
Unter Umständen mit dem Opfer, wenn es möglich ist!
Männer sollten ihre Kampfkünste nicht überschätzen!
 
Nach dem sehr informativen und trotz des schwierigen Themas lockeren Vortrag lud Herr Kayser die Zuhörer noch zu Fragen und Diskussionen ein, was gerne wahrgenommen wurde.
 
„Pfefferspray mitnehmen?“ problematisch im tatsächlichen Einsatz, aber möglicherweise guter Einfluss auf Selbstbewusstsein und Ausstrahlung. Wenn man sich entschließt Pfefferspray dabei zu haben, sollte man auf jeden Fall vorher geübt haben, den Sicherheitsverschluss zu öffnen und man sollte sich sicher sein, dass  noch Spray in der kleinen Dose ist. Nicht jedem macht Pfefferspray etwas aus!
 
„Kampfsport üben?“ Körperliche Fitness ist immer gut. ABER in diesem Punkt Problem, denn Realität entspricht nicht Übungsort. Gegner wartet nicht, bis man einen Griff ansetzen kann, sondern haut erst mal zu und diesen Schmerz zu überwinden und sich dann noch entsprechend der Kampfsportregeln zu bewegen, hält Herr Kayser für nahezu unmöglich. Für Selbstbewusstsein gut, aber nicht für den Kampf an sich.
 
„Strafrechtliches Problem, wenn man falsch Hilfe leistet, also jemanden beim Hilfe leisten verletzt?“ Nein, nur Problem, wenn man nicht hilft – wenn man also wegsieht oder weggeht.
 
„Mit Handy Tat filmen?“ Nur wenn es der Täter nicht sieht.
 
Die Zuhörer waren begeistert von den Tipps und vermutlich wird jeder der Anwesenden so eine Grenzsituation einmal geistig durchspielen um die für ihn/sie vertretbare  Reaktion im Fall der Fälle parat zu haben.
 
Heidi Schäfer dankte abschließend dem Referenten sehr herzlich und rief zu einer Spende für den Förderverein Sicheres und Sauberes Stuttgart e.V. auf. Dort werden Jugendliche als Streitschlichter ausgebildet, um vor allem am Wochenende brisante Situationen in Diskotheken und Kneipen zu entschärfen. Für diese Streitschlichter sind Westen vorgesehen, um dem Auftreten mehr Autorität zu verleihen. Derzeit besteht dafür allerdings im Haushalt der Stadt Stuttgart noch kein Etat. Deshalb werden der HGV, Stuttgart und der Kiwanis Club Stuttgart-Württemberg die Barspenden des Abends in Höhe von Euro 175,00 um je Euro 162,50 erhöhen, so dass insgesamt Euro 500 an den Förderverein Sicheres und Sauberes Suttgart e.V. übergeben werden kann.  

Von Uli Loehnert-Lempenau

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